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Bürger fragen uns… | 11. Mai 2023

#CCUS

CCUS: CO2 abscheiden, nutzen oder speichern?

Weichenstellung für eine klimaneutrale Zukunft

Mit dem neuen Klimaschutzgesetz hat sich Deutschland zur Treibhausgasneutralität bis 2045 verpflichtet. Dies lässt sich erreichen, indem CO2 vermieden, fossile Energie durch erneuerbare ersetzt und CO2-Emissionen aus der Atmosphäre entfernt werden. Doch auch nach 2045 wird Deutschland insbesondere durch energieintensive Industriezweige schwer oder nicht vermeidbare CO2-Emissionen aufweisen. Studien zur Klimaneutralität gehen davon aus, dass es erforderlich ist, CO2 abzuscheiden und anschließend zu nutzen oder in tiefliegenden geologischen Gesteinsschichten zu speichern – bekannt auch unter den Abkürzungen CCS, CCU und CCUS. Aber was ist CCS und warum ist es so wichtig? Wie funktioniert es? Und wie sicher ist es, CO2 zu speichern? In diesem Beitrag gehen wir diesen Fragen nach.

CCS, CCU, CCUS – was ist das?

CCS ist die Abkürzung für Carbon Capture and Storage, auf Deutsch: Abscheidung und Speicherung von Kohlenstoffdioxid. Grundidee des Verfahrens ist es, das klimaschädliche CO2 gar nicht erst in die Atmosphäre entweichen zu lassen. Dazu wird es bei Industrieprozessen abgeschieden, abtransportiert und auf Dauer dort gespeichert, wo es herkommt: in der Erde, in tiefliegenden geologischen Gesteinsschichten.

CCU steht für Carbon Capture and Utilization. Dies ist die Abscheidung von CO2 und dessen anschließende industrielle, rohstoffliche Nutzung. Diese erfolgt entweder direkt (z.B. CO2 als Kohlensäure in Getränken, als Kühlmittel, in der Medizin) oder indirekt als Zwischenprodukt und im Rahmen weiterer Verfahren (z.B. zur Produktion von Düngemitteln oder künstlichen Fasern für Kleidung). Ganz im Sinne der Kreislaufwirtschaft.

CCUS umfasst beide Ansätze (CCS und CCU) in einer Abkürzung, man könnte genauso gut auch CCU/CCS schreiben.

Warum ist CCS so wichtig?

Bei der CCS-Technologie geht es darum, CO2-Emissionen der Industrie aus der Atmosphäre zu entfernen. Sie ermöglicht es, nicht zu vermeidende Emissionen von Industrieanlagen dauerhaft zu speichern. Die Schwerindustrie verursacht etwa 20 Prozent der gesamten CO2-Emissionen in der EU. Ziel ist es, diese Emissionen möglichst zu vermeiden: häufig gibt es allerdings kaum bzw. keine anderen technischen Optionen, sie zu reduzieren. Im großen Maßstab umgesetzt, können CCS-Projekte dabei helfen, energieintensive Industrien zu dekarbonisieren, also frei von Kohlenstoff zu machen, indem dieser dauerhaft gespeichert wird. CCS spielt also eine wichtige Rolle bei der Umsetzung globaler Klimaziele. Experten gehen davon aus, dass Klimaneutralität ohne CCS schwer zu erreichen oder sogar unmöglich ist.

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Wie und wo wird CO2 gespeichert?

Bei CCS wird das in Industrieprozessen durch fossile Brennstoffe oder während des Verarbeitungsprozesses entstandene Kohlendioxid abgeschieden und wieder dort gespeichert, wo es herkommt: unter der Erdoberfläche, in geeigneten geologischen Gesteinsformationen.

Beim CCS-Verfahren wird das CO2 nach dem Abscheiden in ca. 600 bis 4.000 m Tiefe injiziert und dauerhaft eingelagert. Bewährt haben sich erschöpfte Erdgaslagerstätten, Erdöllagerstätten oder auch salzwasserführende Gesteinsschichten, sogenannte salinare Aquifere. Bedeutende mögliche Speicherkapazitäten in Deutschland und Europa befinden sich unter dem Meeresboden, z.B. in der Nordsee aber auch an Land.

Wie funktioniert CCS?

Werden fossile Energieträger wie Kohle, Erdgas oder Erdöl verbrannt, entsteht unter anderem Kohlendioxid. Aber auch bei der Zementproduktion entsteht beispielsweise CO2, das in die Atmosphäre entweicht. Vereinfacht dargestellt, wird beim Einsatz des CCS-Verfahrens das CO2 zuerst von anderen Begleitstoffen gereinigt, meistens verflüssigt und schließlich zu der Lagerstätte transportiert. Dort wird es mithilfe von Injektionsbohrungen in den Untergrund gepumpt und dauerhaft gespeichert. Gegenwärtig sind drei Abscheidungsverfahren in der Anwendung:

  1. Das CO2 wird nach dem Verbrennen aus dem Rauchgas abgeschieden (Nachbearbeitungsverfahren).
  2. Das CO2 wird aus dem fossilen Brennstoff vor dem Verbrennen abgeschieden (Vorverbrennungstechniken).
  3. Beim Oxyfuel-Verfahren verbrennt der Brennstoff mit reinem Sauerstoff und einem Teil des Rauchgases, das dem Verbrennungsprozess wieder zugeführt wird.

Wie sicher ist es, CO2 zu speichern?

CO2 wird nur in sorgfältig erkundeten und geologisch geeigneten Standorten gespeichert. Und natürlich werden die Speicher ordnungsgemäß nach dem Stand der Technik betrieben. Für die Langzeitsicherheit sind besonders die geologischen Bedingungen des Untergrundes relevant. Aufgrund der bestehenden natürlichen Kohlenwasserstoff-Lagerstätten ist bekannt, dass geologische Gesteinsformationen in der Lage sind, Gase und Flüssigkeiten über viele Millionen Jahre sicher zurückzuhalten. Und um das Risiko auszuschließen, dass das CO2 nach dem Einlagern wieder entweicht, werden individuelle Monitoringkonzepte zur Überwachung der Integrität entwickelt und angewandt.

Beim Einlagern von CO2 in den Untergrund ist die technische Expertise für die Sicherheit entscheidend. Hier profitiert Deutschland von seiner jahrzehntelangen Erfahrung in der Erdgas- und Erdölproduktion sowie im Betreiben von Erdgasspeichern. Für viele Experten aus der Forschung und Wissenschaft, der Exploration, Produktion und Erdgas-/Erdölspeicherung ist CCS eine sichere, zuverlässige und bewährte Technologie, die weltweit bereits an zahlreichen Standorten eingesetzt wird.

Ist die CCS-Technologie genügend erprobt?

Ja. Die Verpressung, also das Verbringen von CO2 in Untergrundgesteine, wird bereits seit Jahrzehnten erforscht und praktisch erprobt, u.a. im Rahmen der Erdgasförderung. Norwegen wendet die CCS-Technologie bereits seit Jahren an. So werden seit den 1990er Jahren in Sleipner in der norwegischen Nordsee bei der Produktion von Kohlenwasserstoffen jährlich rund 1 Million t CO2 dem Prozess entzogen und wieder in den Untergrund verpresst. In Snøhvit wurden seit 2008 insgesamt 4,7 Millionen t CO2 abgeschieden und eingelagert. Das CCS-Projekt Greensand in der dänischen Nordsee soll zukünftig Speicherkapazitäten von bis zu 8 Millionen t CO2 pro Jahr ermöglichen – mehr als 13 Prozent der gesamten jährlichen CO2-Emissionen Dänemarks. Weltweit sind zahlreiche CCS-Projekte in Planung, in Bau oder bereits in Betrieb.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit CCS-Anlagen gebaut werden und in Betrieb gehen können?

Alle Aspekte der CCS-Kette sind durch deutsches Recht geregelt. Das Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) regelt insbesondere das Abscheiden von CO2. Das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) beschreibt Vorgaben zu Transport und Speicherung und setzt damit die Richtlinie der EU zur geologischen Speicherung von Kohlendioxid um. Seit 2012 sind nach dem KSpG Erforschung, Erprobung und Demonstration der CO2-Speicherung in begrenztem Ausmaß zugelassen. Die Bundesländer können laut KSpG gesetzlich bestimmen, wo Erprobung und Demonstration zulässig sind. Zulassungen von CCS-Vorhaben erfordern ⁠Planfeststellungsverfahren, die⁠ an strenge Umweltanforderungen gebunden sind. Betreiber von CCS-Projekten sind verpflichtet, umfangreiche Maßnahmen- und Monitoringkonzepte zu erarbeiten und einzusetzen.

Gefährdet das gespeicherte Kohlendioxid das Grundwasser?

Das oberflächennahe Grundwasser zur Trinkwasser-Gewinnung ist von der CO2-Speicherung nicht betroffen. Das CO2 wird in deutlich tieferen Gesteinsformationen in über 600 m Tiefe gespeichert. Die Horizonte dieser Speicher sind von den sehr viel höheren Grundwasserlagen durch mehrere, mächtige, undurchlässige Gesteinsschichten getrennt, die das CO2 ganz natürlich zurückhalten. Oberflächennahes Grundwasser wird nur dann gefährdet, wenn ungewollt Verbindungswege zu den Speichern entstehen. Diese können durch geologische Störungen oder durch Leckagen hervorgerufen werden. Um diese Risken zu minimieren oder ganz auszuschließen, werden umfangreiche Vorprüfungen sowie Überwachungskonzepte genutzt.

Kann bei CCS-Speichern CO2 entweichen und wie gefährlich ist das für Mensch, Tier und Umwelt?

Bei CCS-Speichern sind im Normalbetrieb für Mensch, Tier und Umwelt keine negativen Auswirkungen zu erwarten. CO2 ist ungiftig, nicht brennbar und nicht explosiv. Eine zu hohe Konzentration in der Atemluft kann aber zu Gesundheitsproblemen führen. Gesundheitliche Beeinträchtigungen könnten theoretisch durch den unwahrscheinlichen Fall von Leckagen entstehen, durch die Kohlendioxid in die Umgebung freigesetzt wird. Welche Auswirkungen das hat, hängt vor allem von der Konzentration des CO2 in der Atemluft oder am Meeresboden ab. Meist vermischt sich CO2 schnell mit der Umgebungsluft und ist in diesem verdünnten Zustand ungefährlich. Das zeigen die natürlichen CO2-Austritte, wie sie z.B. in der Eifel vorkommen.

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Können das Speichern und Verpressen von Kohlendioxid Erdbeben auslösen?

Wie bei alle Untergrundaktivitäten, die den Druck beeinflussen, besteht ein Risiko, dass Erdbeben ausgelöst werden können. Doch handelt es sich meist um kaum spürbare Mikrobeben. Das Erdbeben-Risiko durch CCS wird kontrovers diskutiert. Fest steht: CCS-bedingte Spannungsänderungen im Untergrund sollten im Vorfeld mittels numerischer Modelle berechnet werden. Injektionsraten und Maximaldrücke der Speicher lassen sich so bemessen, dass die Integrität der Speicherstätten nicht gefährdet ist und das Erdbeben-Risiko auf ein Minimum reduziert wird.

Werden die CCS-Speicher überwacht?

Ja. Die Anforderungen an die Überwachung von CCS sind durch die Europäische Richtlinie zur CO2-Speicherung (2009/31/EG) und die Emissionshandelsrichtlinie (2009/29/EC) geregelt. Es gibt viele Methoden, um den tiefen geologischen Untergrund, die Erdoberfläche sowie Grund- und Oberflächenwässer zu überwachen. Betreiber müssen unter Berücksichtigung der standortspezifischen Bedingungen einen Überwachungsplan für den vorgesehenen CCS-Speicher erstellen, der schon zur Beantragung des Speichers vorzulegen ist.

Welche Bedeutung hat CCUS für das Erreichen der Klimaziele?

Weltweit speichern laut der International Energy Agency (IEA) aktuell rund 35 kommerzielle CCS-Anlagen etwa 45 Millionen t CO2 pro Jahr. Zwar verzeichnet die CO2-Abscheidung international Zuwächse, doch um die europäischen Klimaziele zu erreichen, genügt das laut IEA nicht. Die Klimamodelle der EU zeigen, dass bis 2050 zwischen 300 und 640 Millionen t Kohlendioxid pro Jahr abgeschieden und genutzt oder gespeichert werden müssten. Insgesamt ist der Bedarf sehr hoch, aber Experten sehen in Europa auch große Möglichkeiten und bedeutendes Potenzial hinsichtlich der CO2-Speicherung.

Darüber hinaus hat die CCS-Technologie eine besondere Bedeutung für die Wasserstoffproduktion: Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Sein Einsatz zieht keine Verbrennungsabgase oder direkte lokale CO2-Emissionen nach sich. Ein idealer Energieträger ist klimaneutral erzeugter grüner Wasserstoff aus erneuerbaren Energien. Jedoch ist dieser nicht ausreichend vorhanden, um Deutschlands großen Wasserstoff-Bedarf zu decken. Blauer Wasserstoff ist dagegen verfügbar, denn er wird aus Erdgas erzeugt. Zwar ist Erdgas ein fossiler Energieträger, aber das bei der Produktion von blauem Wasserstoff entstehende CO2 wird mithilfe von CCS-Technologien abgeschieden und dauerhaft gespeichert. Blauer Wasserstoff in Verbindung mit CCS kann somit helfen, die Energiewende erfolgreich umzusetzen.

Welchen Stellenwert hat CCS in Deutschland?

Die Forschung zu CCS-Technologien wird staatlich gefördert. In einem deutschen CCS-Pilotprojekt westlich von Berlin wurden von 2008 bis 2013 insgesamt 67.000 t Kohlendioxid in einem salinaren Aquifer in ca. 650 m Tiefe gepumpt. Dieses Projekt zeigte, dass die sichere und dauerhafte geologische Speicherung von CO2 möglich ist. Tatsächliche kommerzielle Anwendungen gibt es jedoch bisher hierzulande noch nicht, weil das Kohlendioxid-Speicherungsgesetz (KSpG) die Speichermenge stark begrenzt und die Bundesländer durch das KSpG die CO2-Speicherung ablehnen können. Geplant ist jedoch, das KSpG zu überarbeiten.

Deutschland hat sich mit seinem Klimaschutzgesetz dazu verpflichtet, bis 2045 netto-treibhausgasneutral zu sein. Die dafür benötigten Projekte sind auf entsprechende politische Rahmenbedingungen und Klimaschutztechnologien angewiesen. Erneuerbare Energieträger zu forcieren, ist ein Weg den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen zu verringern – reicht aber für die Klimaneutralität nicht aus. Dazu bedarf es des CCS-Ausbaus.

Industrieverbände und Klimaschutzorganisationen haben ein gemeinsames Positionspapier für eine nationale Carbon-Management-Strategie unterzeichnet, um industrielle CCS- und CCU-Projekte umzusetzen. Der BVEG und seine Mitglieder unterstützen eine Carbon-Management-Strategie, mit der sektorübergreifend die notwendigen Verbindungen zwischen CO2-Abscheidung, -Transport, -Speicherung und -Nutzung definiert werden.

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Kontakt:

Johanna Brandtner

Leiterin Nachhaltigkeit & Umwelt
Schiffgraben 47
30175 Hannover
T +49 511 12172-35


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